Berichte vom 18.09.10 und 13.11.10

In den letzten zwei Monaten haben wir zwei Treffen unserer Lesezirkel in Duisburg durchgeführt und konnten gewinnbringend über das Lunyu diskutieren. Dabei haben wir das dritte Kapitel beendet und mit der ersten Hälfte des vierten Kapitels begonnen.

Am 18. September begann wir mit dem vierzehnten Vers des dritten Kapitels. In diesem betont Kongzi die Größe der Gebote der Zhou, welche auf die Werte und Normen der davor herrschenden Dynastien zurückschauen konnten (Anmerkung: Die der Shang und der Xia). Dazu sollte angemerkt werden: Kongzi lebte in einer Zeit, als die alten Werte und Normen der ersten Dynastien im Verfallprozeß waren und die Herrschaft der Zhou vergangen war. Er wollte diese alten Werte und Normen nicht nur restaurieren, sondern auch transformieren.
Im fünfzehnten Vers betritt Kongzi den Tempel des Herzogs Zhou vom Staate Lu und erkundigt sich aus Redlichkeit nach allen Riten, die dort durchgeführt wurden. Daraufhin wird er wegen seiner Fragerei kritisiert. Kongzi entgegnet jedoch, daß gerade diese Fragen aufgrund der redlichen Anteilnahme eine Höflichkeit seien.
Zum Bogenschießen (3.16.) bemerkt Kongzi, daß nicht das Treffen des Ziels Sinn und Zweck des Wettbewerbs sei, sondern der faire und tugendhafte Wettbewerb von Charakterstärke zeugt- ein Ideal, welches in den heutigen Sportwettbewerben wieder einmal betont werden sollte.
Beim darauffolgenden Vers geht es um das Opfern eines Schafes, welches die Fürsten auf Geheiß des Königs opfern mußten, während sie für die Billigung ihrer für den kommenden Monat anstehenden Pflichten beten sollten. Die Herzöge von Lu versäumen das Beten, opfern das Schaf aber dennoch, was der Schüler Zi Gong für sinnlos hält. Kongzi meint jedoch, daß es besser sei, die Fürsten zur Befolgung ihrer Auflagen anzuhalten als den Brauch gänzlich abzuschaffen.
Vers neunzehn widmet sich dem Verhältnis von Fürst und Minister. Der Fürst solle nach Kongzi seine Minister nach dem Gebot des Anstands beschäftigen, der Minister soll seinem Fürst in Treue dienen.
Vers sechsundzwanzig schließlich betont, wie sich ein Herrscher zu benehmen habe. Er soll, wenn er einen Rang bekleidet, nachsichtig und großzügig sein, er soll ein Zeremoniell mit Ehrfurcht abwickeln und falls er Trauer trage, sich auch innerlich grämen. Alles andere wäre aufgesetzte Oberflächlichkeit, die letztendlich falsch und unehrlich ist.

Unser Treffen vom 13.11. widmete sich dem Beginn des vierten Kapitels des Lunyu, genannt Li Ren.
Im ersten Vers des vierten Kapitels konnten wir lesen, daß die Vorzüglichkeit einer Wohngegend darin bestehe, daß die Nachbarn tugendhaft sind. Ein kluger Mensch würde sich bei der Wahl des Wohnsitzes eben für solch eine Gegend entscheiden. An dieser Stelle diskutierten wir rein gegenwartsbezogen: Was bedeutet tugendhaftes Benehmen der Nachbarn? Rechtfertigt eine Wohngegend, die von Armut oder vorwiegend ausländischer Bevölkerung geprägt ist, einen Wegzug, der durch Konfuzius legitimiert werden könnte? Diese Frage verneinten wir natürlich: Nicht Armut oder Migrationshintergrund machen die Tugend eines Menschen aus. Gerade in den Wohngegenden, wo sich die Reichen gegen die unteren Schichten abschotten, ist eher weniger Tugendhaftigkeit zu spüren.
Vers zwei besagt, daß nur jemand, der Tugend hat, Amt und vergnügliche Verhältnisse ertragen kann. Jemand ohne Tugend würde das Amt mit Korruption ausnutzen und das Vergnügen zu weit treiben. Der tugendhafte Mensch (4.3.) ist erst in der Lage, Gutes und Böses zu erkennen, da er Weisheit erworben hat, die ihn dazu befähigt, das Gute zu erkennen und zu tun, bzw. das Böse zu kennen und es zu vermeiden. Erst diese Erkenntnis und die bewußt getroffene Entscheidung für das Gute machen den Edlen aus. Dazu paßt auch der vierte Vers, welcher besagt, daß der Wille zur Tugend verhindere, daß Verderbtheit aufkommt.
Vers fünf führt aus, wie sich der Tugendhafte zu verhalten habe: Wenn man nicht auf redliche Weise Amt und Würden erlangen kann, dann solle man nicht daran festhalten. Armut und Niedrigkeit sollte man meiden, wenn sie nur auf nicht redliche Weise überwunden werden kann. Der Tugendhafte unterwirft sich also nicht dem Lauf der Welt, sondern er steht über der Verderbtheit und der Gier nach Macht und Vergnügen. Daher führt Kongzi im siebten Vers aus, daß durch die Betrachtung der Fehler eines Menschen dessen Grad an Tugendhaftigkeit zu erkennen ist. Im achten Vers spitzt er sein Ideal der Tugend zu: Wenn jemand am morgen den rechten Weg gefunden hat, dann kann er am abend getrost sterben, da er dadurch den Sinn seines Lebens gefunden habe.
Der neunte Vers setzt die Wahrheit und Tugend über die irdischen Bedürfnisse. Die Diskussion mit einem Gelehrten, der sich seiner schäbigen Kleidung und seinem schlechten Essen nicht schämt, ist von hohem Wert, da dieser bereits die irdische Perspektive transzendiert hat. Dieses Transzendieren des Irdischen begegnet uns auch in den folgenden Versen. Im elften Satz konnten wir lesen, daß der Edle an die Tugend denkt, der Niedrige aber an seine Bequemlichkeit und an sein Vergnügen. Der Letztere ist also immer noch im Diesseitigen verhaftet, daß der Edle überwunden hat.
Eine Warnung äußert Kongzi gegenüber dem Egoisten (4.12.): Wer dauernd seinen eigenen Vorteil im Auge hat, wird viel Ärger ernten. Tatsächlich ist der Mensch - ob früher oder heute - der alles nur zu seinem eigenen Vorteile tut, der, den die anderen Menschen meiden. Er ist nicht gesellschaftsfähig.
Vers vierzehn betont noch einmal den Unterschied zwischen Irdischem und Überwindung desselben: Der Edle soll sich nicht darum kümmern, daß er keine Stellung hat, sondern daß er einer Stellung charakterlich wert sei. Auch soll er sich nicht darum kümmern, daß er nicht berühmt sei, sondern daß er bekannt werde, weil er es würdig ist.
Zum Abschluß: Was bedeuten nun die Worte des Kongzi? Sein Schüler Zeng Shen (4.15.) sagt es uns ganz offen: Die Lehre des Kongzi besagt, daß man an den Grundsätzen seiner Lehre festhalten und anderen gegenüber von diesen Gebrauch machen soll. Diese Grundsätze sind eben die Loyalität zum eigenen Herzen und die Rücksicht auf andere. Eine gute Quintessenz für unseren Lesezirkel.